Jeonse: Das koreanische „umgekehrte“ Leasing – wie es funktioniert und warum es sich so sehr vom bulgarischen Modell unterscheidet
Autor: imi.bg | Hochgeladen vor 3 дни
<p>Wenn man in Bulgarien über Mieten spricht, stellt man sich fast immer das bekannte Modell vor: monatliche Miete plus Kaution (üblicherweise ein bis zwei Monatsmieten), die als Sicherheit gegen Schäden und unbezahlte Rechnungen dient. In Südkorea hingegen gibt es ein Modell, das auf den ersten Blick aus europäischer Sicht ungewöhnlich erscheint: Miete ohne monatliche Miete. Dieses Modell heißt Jeonse (전세) und ist einer der Gründe, warum der koreanische Wohnungsmarkt gesondert von anderen asiatischen Märkten analysiert wird.<br /><br /> <strong>Was ist Jeonse?</strong><br /><br /> Jeonse ist ein Mietvertrag, bei dem der Mieter zu Beginn eine sehr hohe Kaution hinterlegt und im Gegenzug keine (oder nur eine symbolische) monatliche Miete zahlt. Die Verträge haben meist eine Laufzeit von zwei Jahren, ein in Korea weit verbreiteter Standard. Am Ende der Mietzeit muss der Vermieter die Kaution (in der Regel vollständig) an den Mieter zurückzahlen, sofern keine Vertragsverletzungen vorliegen.<br /><br /> In der Praxis ist die Kaution bei Jeonse keine „Garantie“ wie unsere Kaution, sondern der wichtigste wirtschaftliche Bestandteil des Vertrags. Anders ausgedrückt: Während in Bulgarien die monatliche Miete den Hauptfaktor darstellt, ist es bei Jeonse der hohe Betrag zu Beginn und dessen Rückzahlung am Ende.<br /><br /> <strong>Warum stimmt der Vermieter zu?</strong><br /><br /> Auf dem bulgarischen Markt ist die Logik einfach: Der Eigentümer vermietet sein Haus, um ein regelmäßiges monatliches Einkommen zu erzielen. Bei Jeonse ist das Einkommen des Vermieters eher „versteckt“: Er nutzt die Kaution als Finanzierung. Meistens:<br /><br /> • den Betrag (in sicherere oder risikoreichere Instrumente) investieren<br /> • deckt andere Schulden oder eine Hypothek ab,<br /> • kauft/finanziert ein anderes Haus,<br /> • „dreht“ das Kapital in nachfolgende Transaktionen um.<br /><br /> Anstatt also monatliche Mieteinnahmen zu erzielen, verdient der Eigentümer an der Rendite der Kaution während der Vertragslaufzeit. Dieses Modell funktioniert am besten in einem Umfeld höherer Zinsen oder guter Investitionsmöglichkeiten, da die Kaution dann eine nennenswerte Rendite abwerfen kann.<br /><br /> <strong>Was verdient der Mieter?</strong><br /><br /> Für den Mieter ist Jeonse oft deshalb attraktiv, weil:<br /> • zahlt keine monatliche Miete und entlastet dadurch sein Budget.<br /> • Es entsteht der Eindruck, dass es sich bei dem Betrag nicht um eine Ausgabe, sondern um vorübergehend blockiertes Geld handelt.<br /> • In einem stabilen Markt kann es rentabler sein als die klassische Miete.<br /><br /> Dieser „Vorteil“ hat jedoch eine Bedingung: Man benötigt zu Beginn ein hohes Kapital. Deshalb gibt es in Korea eine ausgeprägte Praxis von Krediten und Finanzprodukten zur Finanzierung von Jeonse-Einlagen.<br /><br /> <strong>Die Risiken: Warum Jeonse manchmal zum Problem wird</strong><br /><br /> Das größte Risiko bei Jeonse liegt auf der Hand: Was passiert, wenn der Vermieter die Kaution nicht zurückzahlen kann?<br /> Dies kann passieren, wenn:<br /> • ein Rückgang der Immobilienpreise (wenn die Anzahlung nahe am Marktwert liegt und die Immobilie den Betrag nicht mehr "deckt"),<br /> • hohe Verschuldung des Eigentümers<br /> • Fehlinvestitionen oder mangelnde Liquidität,<br /> • Betrug (einschließlich Fälle, in denen ein Eigentümer von vielen Mietern Kautionen entgegennimmt).<br /><br /> In Korea wird daher großen Wert auf Maßnahmen wie die Registrierung von Verträgen, die Überprüfung von Belastungen sowie verschiedene Formen der Einlagensicherung/-versicherung gelegt (die Details hängen von den jeweiligen Regeln und Institutionen ab).<br /><br /> <strong>Was kommt dem bulgarischen Modell am nächsten?</strong><br /><br /> Die einfachste Analogie für ein bulgarisches Publikum lautet: Jeonse ist wie Kaution + Miete, nur „umgekehrt“.<br /> • Bei uns: geringe Kaution + regelmäßige monatliche Miete.<br /> • Bei Jeonse: riesige "Kaution" + fast keine monatliche Miete.<br /><br /> Vergleicht man es mit etwas Vertrautem aus dem Finanzbereich: Jeonse ist wie ein Mieter, der dem Vermieter ein zinsloses (oder zinsgünstiges) Darlehen gewährt, besichert durch das Recht, zwei Jahre lang in der Wohnung zu wohnen. Nach Ablauf dieser Zeit wird das „Darlehen“ zurückgezahlt. Rechtlich ist dieser Vergleich nicht ganz perfekt, aber er veranschaulicht das Prinzip sehr gut.<br /><br /> Auch wenn wir nicht erwarten, dass Jeonse in seiner Reinform in Bulgarien Anwendung findet, ist das Modell ein hervorragendes Beispiel dafür, wie stark der Wohnungsmarkt vom Finanzumfeld beeinflusst werden kann: Zinssätze, Kreditvergabe, Liquidität und Vertrauen. Jeonse zeigt, dass der „Mietmarkt“ nicht immer ein einfaches Mieter-Vermieter-Verhältnis darstellt, sondern mitunter ein komplexes Finanzsystem ist, in dem Risiko und Rentabilität auf ungewöhnliche Weise umverteilt werden.<br /><br /></p>